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Borreliose-Leitlinien: Leitlinien in der Kritik? Teil 5

Unter der Leitung von Ursula Dahlem bringt sich die gesundheitspolitische Arbeitsgruppe von OnLyme-Aktion.org  seit Februar 2014 engagiert in die Leitlinien-Arbeit ein. Aktuell wird an einer S2k-Leitlinie zu den Hautmanifestationen der Lyme-Borreliose gearbeitet. Für alle, die vielleicht Fragen zur Bedeutung von medizinischen Leitlinien haben, gibt es hier in einer kleinen Serie Antworten. Siehe auch Teil 1, Teil 2, Teil 3,  Teil 4. Heute beschäftigen wir uns mit der Frage:

Warum gibt es häufig so viel Kritik an den Leitlinien? Hängen medizinische Leitlinien gar an der Leine der Pharmaindustrie?

Es scheint paradox: Leitlinien gewinnen immer mehr an Bedeutung, gleichzeitig reiben sich Kritiker zunehmend an Leitlinien. In Deutschland wurden übrigens im internationalen Vergleich erst recht spät medizinische Leitlinien entwickelt. Man darf nicht vergessen, dass es bei der Diskussion um die Bedeutung von Leitlinien immer auch um Kostendämpfung und Ausgabensenkung geht, um Prioritätensetzung im Gesundheitswesen vor dem Hintergrund knapper werdender Ressourcen. Die Gesundheitssysteme aller industrialisierten Länder kämpfen mit vergleichbaren Problemen: steigende Kosten infolge erhöhter Nachfrage nach Gesundheitsdienstleistungen, immer teurer werdende Technologien, alternde Bevölkerung und Über/Unterversorgung in bestimmten Bereichen.

Gerade in Deutschland dienen Leitlinien nicht nur dem Qualitätsmanagement, sondern auch als Steuerungsinstrument im Gesundheitswesen.

Bereits 1989 wurden folgende Punkte bei den Leitlinien kritisch gesehen:

– Beeinträchtigung des Arzt-Patienten-Verhältnisses
– Gefahr eines immer dichter geknüpften bürokratischen Vorschriftennetzes und
– Gefahr weiterer Förderung der Defensivmedizin

Desweiteren: Die aktuelle Entwicklung von Leitlinien gehe weit am Bedarf vorbei. Zielrichtung, Bedarfsanalyse und Prioritätensetzung fehlten weitestgehend. Leitlinien ersetzten weder die externe, vergleichende Qualitätssicherung noch das interne Qualitätsmanagement.

Medizinische Leitlinien an der Leine der Pharmaindustrie?

Im Magazin FOCUS wendet sich ein Arzt in einem Interview entschieden gegen Leitlinien und die medizinischen Fachgesellschaften. Der GAU sei es, so der Arzt, dass Hochschulmediziner bei der Bewertung wissenschaftlicher Studien ständig die Regeln brächen, um finanzielle Interessen der Hersteller, Karriere-Netzwerke an den Universitäten und längst veraltete Lehrmeinungen durchzusetzen. Er sei überzeugt, dass diejenigen, die redlich, kompetent und rein fachlich motiviert sind, sich nicht durchsetzen können.

Junge Forscher, welche die gängige Lehrmeinung in Frage stellen, geraten aufs Abstellgleis

Oft machen erst emeritierte Professoren den Mund auf. In Deutschland müssen Unternehmen ihre finanziellen Zuwendungen an Mediziner nicht offenlegen. In den USA zeigt sich durch diese Verpflichtung, dass fast 90 Prozent der Chefs von Herzleitlinien finanzielle Verbindungen zu den Herstellern haben, deren Produkte sie dann fachlich beurteilen sollen. Der kritische Mediziner schätzt, das sei in Deutschland nicht anders.

Das Deutsche Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiQ) hat insgesamt 35 Leitlinien zum Management von Typ-2-Diabetes in den westlichen Industrienationen mittels des „Appraisal of Guidelines for Research & Evaluation“ (AGREE)-Instruments untersucht und große Defizite gefunden. Die größten Mängel bestanden bei der Beteiligung von Interessengruppen und einer klaren Definition von Zweck und Geltungsbereich der Leitlinie. Ein weiteres gravierendes Problem war die fehlende Unabhängigkeit der Autoren. Personen mit bedeutsamen Interessenkonflikten hinsichtlich der beurteilten Therapien und Methoden sollten aus Leitliniengruppen generell ausgeschlossen werden. Siehe dazu auch zwei Beispiele über den Einfluss pharmazeutischer Unternehmen auf Leitlinien:

http://www.aerzteblatt.de/archiv/145337/Besteht-ein-Einfluss-pharmazeutischer-Unternehmen-auf-Leitlinien-Zwei-Beispiele-aus-Deutschland

http://www.spiegel.de/wissenschaft/medizin/leitlinien-streit-verzerrte-daten-beeinflussen-empfehlungen-a-926041.html

Geht man also davon aus, dass Leitlinien den aktuellen Stand zusammenfassen, bleibt die Frage, warum sie so eine geringe Anwendung finden. Die individuellen Gründe sind vielfältig und können von Inakzeptanz über Autonomieverlust bis zur Ablehnung von „Kochbuchmedizin“ reichen, auf jeden Fall haben sie Auswirkung auf das ärztliche Handeln und damit auf die Arzt-Patienten-Beziehung. Ein Aspekt, den auch Patienten im Hinterkopf behalten sollten.

 

 



2 comments

  1. Dies hier ist meine erste Einlassung hier überhaupt,als auch zum Thema-zudem ich nur indirekt Bezug nehme…
    Allein die Art+Weise zu dieser Thematik löst Vertrauen in mir aus und verstärkt es auch dadurch,das mir Macher und Mitwirkende nicht unbekannt sind.
    Das Thema ansich ist mir nicht neu,geschweige denn,unbekannt-das läßt sich auch in manch anderen Ecken vermuten und unter der “ Dummhaltung “ dunkler Interessen von einfachen menschen,meist sehr kranken-kaum zu durchschauen sind.
    Mehr als ein riesiges Dankeschön rüber zuschicken bin ich zur Zeit und schon länger nicht in der lage.Danke für Eure Arbeit,ich bin davon überzeugt-es wird sich auf seine Weise positiv auswirken.- anfang –

  2. Pingback: Borreliose: Online-Petitionsfrist ist abgelaufen – OnLyme-Aktion.org sagt DANKE | OnLyme Aktion


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