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Die Leitlinienautoren der Leitlinie Neuroborreliose – Teil IV

Wie bei Leitlinienautor Professor Kaiser bereits mehr als deutlich wurde, ist die stete Warnung vor FSME bei gleichzeitiger Bagatellisierung der Borreliose nicht unbedingt wissenschaftlichen Fakten geschuldet. Ein weiteres eindrückliches Beispiel dafür liefert uns der nächste Leitlinienautor.

Professor Dr. H. W. Pfister

COI: Honorare für Vortrags- und Schulungstätigkeiten von Novarits

Pfister ist Leitender Oberarzt und Stellvertretender Direktor der Neurologischen Klinik der Ludwig-Maxilians-Universität München Großhadern (LMU). Klinische Schwerpunkte: Entzündliche Erkrankungen des Zentralnervensystems (z.B. Meningitis), Lyme-Borreliose, HIV-Infektion, Neurologische Intensivmedizin und Schädel-Hirn-Trauma. Seine Forschungsschwerpunkte sind Pathogenese von ZNS-Infektionen (insbesondere akute bakterielle Meningitis, Neuroborreliose und Herpes-Enzephalitis) sowie Potentielle Biomarker bei ZNS-Infektionen.

Er ist federführender Leitlinienautor der Leitlinie bakterielle Meningoenzephalitis, der auch Professor Schmutzhard angehört. 2002 ging der Wolfgang-Stille-Preis, gestiftet von Pfizer Pharma, an die Arbeitsgruppe von Professor Pfister.

Zu Pfisters klinischem Schwerpunkt zählt ebenfalls die FSME. Auch er hält Plädoyers zur Impfprophylaxe und fordert, in Risikogebieten müsse mehr geimpft werden als bisher. Zur FSME hat er außerdem eine interessante Entdeckung gemacht: Mit einer FSME kann man sich auch über den Genuss von Rohmilchprodukten infizieren.

Laut Professor Pfister eignen sich Antikörper-Tests nur zum Ausschluss einer Borreliose: Wenn der Test negativ ausfällt, liegt auch keine chronische Neuroborreliose vor. Positive Ergebnisse klinisch auffälliger Patienten bedeuten dagegen noch lange nicht, dass auch eine Neuroborreliose vorliegt. Versage die Therapie sei es vermutlich eine Fehldiagnose. Bei anhaltenden neurologischen Problemen spricht Pfister vom Post-Lyme-Disease-Syndrom, einem chronischen Beschwerdekomplex, der trotz behandelter Borreliose fortbestehe. Im Neurologie Update 2009 „Ärzte auf den neuesten Stand gebracht – schädlicher Einfluss von TV und Internet“  mahnt er eine frühzeitige Weichenstellung durch Neurologen an, um eine Chronifizierung der „Borrelienangst“ zu vermeiden.  Pfister kokettiert auch gerne mal mit Borrelienneurose statt Neuroborreliose.

Das ist umso verwunderlicher, als er selbst einräumte, für ein Post-Lyme-Disease-Syndrom fehlten klare diagnostische Kriterien. Insgesamt sei die Krankheitsentenität des Post-Lyme-Disease-Syndroms nicht belegt.

Aus der Gutachterkommission der DGN hervorgehend wurde die Arbeitsgemeinschaft Neurologische Begutachtung (ANB) von Ärzten und Juristen mit Interesse an neurologischer Begutachtung gegründet. Später wurde sie in einen gemeinnützigen Verein umgewandelt und der Name in Deutsche Gesellschaft für Neurowissenschaftliche Begutachtung e.V. (DGNB) geändert. Die DGNB ist assoziierte Gesellschaft der DGN. In Zusammenarbeit mit der DGN bietet die DGNB Qualifizierungsmaßnahmen zum „zertifizierten Gutachter der DGN“ an, Voraussetzung ist u.a. der Nachweis von mind. 50 selbst erstellten ausführlichen Gutachten aus verschiedenen Rechtsgebieten, die nicht älter als 5 Jahre sein sollen. Die Liste der zertifizierten Gutachter ist im Internet veröffentlicht und wird öffentlichen und privaten Auftraggebern von Gutachten zur Kenntnis gebracht. In dieser Gutachterliste findet sich auch Professor Pfister.

Ein Gutachten des Herrn Professors geriet vor nicht allzu langer Zeit in den Fokus der Öffentlichkeit. Es ging um den Fall eines Forstbeamten aus dem Freistaat Bayern. Der Beamte sollte dem Staat 15 Jahre nach Anerkennung seines Dienstunfalls nun über 30.000 Euro Behandlungskosten zurückzahlen. Elf Jahre nach Anerkennung des Dienstunfalls wurde ihm wegen fehlendem Antikörpernachweises der Dienstunfall wieder aberkannt. „Das Ganze hat beim Freistaat nun schon Methode“ befand der Rechtsbeistand. Auf großer Breite würden alte Dienstunfälle danach untersucht, ob man die Einstufung wieder kassieren könne. Offenbar auch nicht der einzige Zeckenbiss, mit dem sich das Gericht zu beschäftigen hatte. Das Gutachten für den Freistaat Bayern kam von Professor Pfister

Ebenfalls von der LMU kommt eine weitere Leitlinienautorin, Frau Professor Dr. Wilske.

Professor Dr. B. Wilske

COI: Mitglied der BÄMI (Berufsverband der Ärzte für Mikrobiologie, Virologie und Infektionsepidemiologie e.V.

Wilske ist die ehemalige Leiterin des Nationalen Referenzzentrums für Borrelien, damals noch angesiedelt am Max-Pettenkofer-Institut für Hygiene und Medizinische Mikrobiologie, Ludwig-Maximilian-Universität München (LMU).  Im Leistungsangebot Beratung für diagnostische Laboratorien und klinisch tätige Ärzte, Beratung zur klinischen und mikrobiologischen Diagnostik und Fragen zur Prophylaxe und Therapie.

Die Deutsche Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie (DGHM) hatte Richtlinien bzw. Qualitätsstandards zur mikrobiologischen Diagnostik einer Borreliose erarbeitet (MiQ 12 Lyme Borreliose), im Expertenkomitee Professor Dr. Wilske.  Sie war maßgeblich an Studien und Empfehlungen zur Serodiagnostik einer Lyme-Borreliose beteiligt. In einer Analyse von Wilske wurde z.B. mit Hilfe von monoklonalen Antikörpern eine weitere Klassifizierung in Serotypen vorgenommen, der bei der Entwicklung diagnostischer Tests eine besondere Bedeutung zukommt. Von Tests wie dem LTT oder dem VCS- bzw. Graustufentest wurde dagegen stets abgeraten. (Wilske und Fingerle 2005, Wilske et al 2007b). Diese Meinung vertritt das NRZ bis heute.

Wilske war jedoch nicht nur maßgeblich an den Qualitätsstandards zur Diagnostik beteiligt, sie selbst hält über die Firma Mikrogen GmbH, einem Testhersteller für Such- und Bestätigungstests,  mehrere nationale und internationale Patente auf bestimmte Proteine von Borrelia burgdorferi.

Von 2005 bis 2008 war Wilske Forschungsgruppenleiterin des Arbeitsgebietes „Entwicklung einer Mikrosphären-basierten Multiplex-Serologie zur Differenzialdiagnostik der reaktiven und Lyme-Arthritis“. Ein Teilprojekt des Forschungsverbundes FORINGEN „Genombasierte Technologien in der Infektionsmedizin“ der Bayerischen Forschungsallianz (BayFOR). Die BayFor wurde als Anlaufstelle für europäische Forschungsinteressen gegründet und leistet Lobbyarbeit für bayerische Hochschulen, um Forschungsinteressen Bayerns aktiv einzubringen. Gefördert wurde das Projekt von der Bayerischen Forschungsstifung, die gemäß Satzung größten Wert auf eine Kooperation zwischen Industrie und Wissenschaft legt. Industriepartner des Forschungsverbundes FORINGEN war unter anderem die Mikrogen GmbH,  die auch in weitere Forschungsverbünde involviert ist, wie z.B.  FORPROTECT „Diagnoseverfahren und Therapien zum Infektionsschutz“.

Sprecher des Forschungsverbundes FORINGEN war Prof. Dr. Dr. Heesemann, Max von Pettenkofer-Institut LMU München, Mitglied des DFG-Fachkollegiats Medizinische Mikrobiologie/Molekulare Infektionsbiologie und im Externen Wissenschaftlichen Beirat des Zentrums für Molekulare Medizin der Universität Köln, dem einst auch Prof. Dr. Franz Hofmann (Ehegatte der Dermatologin Prof. Dr. Hofmann) angehörte. Heesemann wird in zahlreichen Werken von Wilske erwähnt wie z.B. einer Studie, die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und GlaxoSmith Beecham (heute GlaxoSmithKline) gefördert wurde.

GlaxoSmithKline (GSK) erforscht, entwickelt und produziert Medikamente gegen Asthma, Depression, Parkinson etc. sowie Impfstoffe wie z.B. den wieder vom Markt genommenen Borreliose-Impfstoff Lymerix. 2002 zog GSK erfolglos vor Gericht, um ein Patent auf Amoxillin zu schützen. 2004 wurde GSK vorgeworfen klinische Studien zu verhindern, die zeigen sollten, ob der gegen Depression eingesetzte Wirkstoff Paroxetin tatsächlich effektiver ist als ein Placebo oder gar das Selbstmordrisiko erhöht. Der Prozess dauerte 8 Jahre und endete mit einem Vergleich und der höchsten Strafzahlung, die jemals in den USA gegen einen Pharmakonzern verhängt wurde.

Im Wissenschaftlich-Technischen Beirat der Bayerischen Staatsregierung wie auch im Wissenschaftlichen Beirat der Bayerischen Forschungsstiftung findet sich 2005 der ehemalige Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) Professor Dr. Winnacker. Winnacker war nicht nur DFG-Präsident und spielte eine wichtige Beraterrolle in Bund und Ländern, er bekleidete auch eine Reihe weiterer  lukrativer Posten. Firmen, bei denen Winnacker im Aufsichtsrat saß, erhielten jahrelang Fördergelder in Millionenhöhe. Als LMU-Professor hätte er nach Bayerischem Beamtengesetz seine Nebeneinkünfte an die LMU abführen müssen. Das LMU beurlaubte ihn jedoch und durch Abschluss eines Privatvertrags mit der DFG war Winnacker de facto nicht an das Beamtenrecht gebunden, obwohl die DFG über 1 Milliarde jährlich an öffentlichen Geldern erhielt, die nahezu ausschließlich aus Steuermitteln von Bund und Ländern stammen. Die DFG ist keine Behörde, sondern ein eingetragener Verein und zeigt sich auch gegenüber  manipulierten Forschungsdaten nachsichtig, wie einer der größten deutschen Forschungsskandale einer Immunologin zeigte. Die LMU ist im Programm der DFG traditionell als forschungsstarke Universität mit einer hohen Anzahl von Projekten vertreten. Auch Professor Wilske erhielt Forschungsgelder der DFG für die „Rolle der Variation von Oberflächenproteinen von Borrelia burgdorferi“.

2011 wurde Prof. Winnacker von der Robert-Koch-Stiftung für sein Lebenswerk die Robert-Koch-Medaille in Gold verliehen. Die Hälfte der Preisgelder übernimmt das Bundesministerium für Gesundheit. Im Wissenschaftlichen Beirat der Robert-Koch-Stiftung ist auch Professor Heesemann vertreten, im Kuratorium finden sich Vorstandsvorsitzende nahezu aller namhaften Pharmaunternehmen wie auch Birgit Fischer, die Hauptgeschäftsführerin des Verbands der forschenden Arzneimittelhersteller und frühere Gesundheitsministerin oder Liz Mohn (Bertelsmann, RTL) und Friede Springer (Axel Springer AG), Mitglieder der Bertelsmann-Eigentümerfamilie und Verlegerinnen der einflussreichsten Medienkonzerne, die eine sehr enge und vertrauensvolle Beziehung zur Bundeskanzlerin pflegen.

Redakteur des preisgekrönten Films „Zecken-Borreliose“ von Patrick Hünerfeld war Martin Schneider, stv. Redaktionsleiter der SWR-Fernseh-Wissenschaftsredaktion, Themenschwerpunkt Medizin und Wissenschaft. Schneider begann seine Karriere in der Pressestelle der Deutschen Forschungsgemeinschaft und ist Vorstandsvorsitzender der WPK (Die Wissenschaftsjournalisten). Im Kuratorium der WPK finden sich namhafte Mediziner wie Prof. Dr. Heinz, Geschäftsführer des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung und Vorstandsmitglied des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung oder Thomas Rachel, Parlamentarischer Staatssekretär der Bundesministerin für Forschung und Bildung. Der WPK verweist auf seiner Internetseite auch auf den Medien-Doktor, zu dessen Gutachtern auch der Journalist Patrick Hünerfeld gehört.

Auch Professor Rauer, federführender Leitlinienautor, hat in diesem „preisgekrönten“ Film mitgewirkt. Mehr dazu im nächsten und letzten Teil unserer kleinen Serie.



4 comments

  1. Pingback: Borreliose: Die Leitlinienautoren der Leitlinie Neuroborreliose - Teil III | OnLyme Aktion

  2. Guten Tag

    ich möchte mich für diese tollen Informationen bedanken.
    Ihr kennt ja wirklich……!!!!
    Dieses von meinem Lieblings Spezie auch?
    http://www.ravo.de/de/ueber_ravo.php

    Eigentlich könnte die Informationen von euch schon den Beweis der Befangenheit liefern, meine Meinung.
    Danke A.Fischer

  3. Mich würde interessieren, wer an diesem aufwendigen Bericht mitgeschrieben hat.
    Wenn man bedenkt, wie vielen Betroffenen, wie z. B. der Bayerische Förster, der aufgrund fraglicher Gutachten 30.000 € Behandlungskosten zurückzahlen sollte, oder durch höchst fragwürdige und widersprüchlicher „wissenschaftliche Behauptungen“ einer gewissen Medizinergruppe eine adäquate Behandlung verhindert wurde, könnten das Fälle für den Staatsanwalt sein. Das grenzt an vorsätzlich unterlassener Hilfeleistung und Körperverletzung.


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