Fragen zur Borreliose an das NRZ und keine Antworten …
Vom 6. bis 11. Mai 2013 initiierte das Aktionsbündnis einen Borreliose-Brief-Tag und forderte Betroffene auf, sich mit ihren offenen Fragen zum Thema Lyme-Borreliose an das zuständige NRZ Borrelien zu wenden. Inzwischen erhielt OnLyme-Aktion.org von vielen Betroffenen die Rückmeldung, dass das NRZ bislang auf keine ihrer Fragen geantwortet habe.
Fragen zur Borreliose – Antworten vom NRZ? Fehlanzeige!
Auch wir vom Aktionsbündnis beteiligten uns an dieser Aktion – schließlich möchten wir als Patientenvertretung gerne zur weiteren Aufklärung beitragen. Das NRZ, dessen Aufgabe unter anderem die Information der Betroffenen und Bürger ist, scheint jedoch für Patienten kurioserweise keine Antworten zu haben. Frei nach dem Motto: „Fragen zur Borreliose? Fragen Sie das zuständige NRZ – dort wird Ihnen bestimmt nicht geantwortet!“
Standardisierung der Borreliose-Tests? Fehlanzeige!
Nach wie vor sind die auf dem Markt befindlichen Antikörpertests von unterschiedlicher Qualität. Die bereits seit langem geforderte Standardisierung der Tests steht immer noch aus. Im Januar 2012 teilte das Bundesgesundheitsministerium auf Anfrage mit, dass das NRZ keine Fortschritte bei der Standardisierung der serologischen Tests auf Lyme-Borreliose gemeldet hätte. In einem Beitrag des MDR 2013 wird von standardisierten Tests berichtet, die jedoch unterschiedliche Qualität aufwiesen. Dr. Fingerle, Leiter des NRZ Borrelien, räumt ein, dass diese Tests keine eindeutige Aussage zulassen. Nach Informationen des NRZ werden Infektionen im Frühstadium in bis zu 50 % aller Fälle nicht über Antikörpertests erkannt. Auch die typische Wanderröte (Erythema migrans) tritt nicht in allen Fällen auf. Dennoch vermittelt das NRZ den Eindruck, eine Borreliose sei klinisch und laborchemisch meist leicht zu diagnostizieren und unterstützt eine 2-Stufen-Diagnostik, bei der nur bei positivem Antikörpernachweis ein aussagekräftiger Immunoblot erfolgen soll. Hier klafft eine diagnostische Lücke, über die Patienten häufig im Unklaren gelassen werden.
Im Spätstadium wird bei negativem serologischen Befund (IgG-Antikörper) eine Borreliose gar weitgehend ausgeschlossen. Laut Qualitätsrichtlinien zur mikrobiologischen Diagnostik der Lyme-Borreliose, die im Jahr 2000 unter Federführung des NRZ und unter Mitwirkung einiger Leitlinienautoren herausgegeben wurden, liegt die seropositive Prävalenz im Stadium III bei 90 – 100 %. Das ist umso erstaunlicher, als aus einer Veröffentlichung 2005 hervorgeht, dass durch Etablierung des Line-Immunoblots die Sensitivität von lediglich 70,6 % auf 84,7 % verbessert wurde. Auch wenn man großzügig über die unterschiedliche Qualität der auf dem Markt befindlichen Tests hinweg sieht, besteht hier eine deutliche Diskrepanz.
Eine der Leitlinienautoren der Leitlinie Neuroborreliose erwarb während ihrer Tätigkeit als Leiterin des NRZ Borrelien über die Firma Mikrogen (Testhersteller) eine beträchtliche Anzahl von Patenten auf verschiedene Borrelienantigene. Auf Basis rekombinanter Borrelienantigene hat das NRZ Immunoblots weiterentwickelt und empfiehlt entsprechend auch diese Tests. Öffentliche Empfehlungen von Tests bestimmter Testhersteller dürfen laut NRZ aus Wettbewerbsgründen nicht erfolgen. Dabei wäre es sicher von Interesse, zu wissen, mit welchen Testherstellern das NRZ kooperiert. Gerne hätten wir das NRZ dazu auch im Rahmen des Informationsfreiheitsgesetzes befragt, doch das sogenannte „Nationale“ Referenzzentrum ist gar kein „nationales“ Zentrum, sondern seit 2008 im Öffentlichen Gesundheitsdienst Bayern angesiedelt und Bayern kennt kein Landes-Informationsfreiheitsgesetz. Das Bayerische Staatsministerium für Umwelt und Gesundheit ist der Meinung, das NRZ sei kein Prüfinstitut für Labortests. Bezüglich der Verbreitung sinnvoller diagnostischer Maßnahmen und Vorgehensweisen wird auf die qualitativ schwachen Leitlinien der Fachgesellschaften verwiesen.
Informationen zum Netzwerk Lyme-Borreliose? Fehlanzeige!
Unter Leitung des RKI wurde das bundesweite Netzwerk „Lyme-Borreliose“ gegründet, dem diverse Experten wie auch Patientenvertreter angehörten. Ziel des Netzwerks ist die Formulierung von Forschungsdefiziten im Bereich Pathogenese, Diagnostik, Therapie und Verlauf der Lyme-Borreliose. Nach Etablierung des Netzwerks in Deutschland war die Erweiterung auf europäischer Ebene geplant. Nach wie vor verweist die Politik gerne auf diese Expertentreffen, das letzte fand jedoch bereits 2009 statt. Über dieses letzte Treffen liegen keine öffentlichen Informationen vor. Auch ist nicht bekannt, aus welchen Gründen diese Experten-Treffen eingestellt wurden. Getan hat sich bislang erstaunlich wenig. Beim 1. Frankfurter Lyme-Borreliose Workshop 2013 wurden nahezu dieselben Forschungsdefizite formuliert, die bereits seit Jahren identifiziert sind.
2010 wurde unter Leitung des NRZ das Netzwerk Neuroborreliose gegründet, zu dem lediglich die Neurologischen Kliniken der LMU München, die Uniklinik Ulm, die Uniklinik Freiburg und die Uniklinik Göttingen gehören. Innerhalb dieses Netzwerks sollen auch Patienten mit chronischer Neuroborreliose untersucht werden. Cave! Gerade die Deutsche Neurologische Gesellschaft hat S1-Empfehlungen zur Neuroborreliose formuliert und fordert labordiagnostische Nachweise für eine gesicherte Diagnose. Das ist bemerkenswert, zeigt doch eine Auswertung der Meldedaten zur Lyme-Borreliose 2007, dass der labordiagnosische Nachweis der frühen Neuroborreliose nur bei einem sehr kleinen Anteil (5 %) der übermittelten Neuroborreliose-Fälle erbracht werden konnte.
Symptome, die auch nach der Standard-Antibiose anhalten, werden als Folgezustände einer durchgemachten Infektion betrachtet, das Post-Lyme-Syndrom. Derzeit beruht die Verlaufsbeurteilung nach antibiotischer Therapie ausschließlich auf klinischer Beobachtung, da es nach wie vor keine Aktivitätsmarker gibt. Das NRZ, das selbst nicht auf Behandlungserfahrungen zurückgreifen kann, schließt sich dieser bis heute unbewiesenen Argumentation an, obwohl bei jedem der empfohlenen Antibiotika Therapieversager berichtet werden. Während bei anderen Infektionserkrankungen routinemäßig neu behandelt wird, um eine chronische Entwicklung zu verhindern, wird bei Borreliose durch die Definition eines Post-Lyme-Syndroms jede weitere ursächliche Behandlung unterbunden.
2014 erfolgt eine neue Ausschreibung für ein Nationales Referenzzentrum für Borrelien. Es bleibt die Hoffnung, dass durch Ernennung eines neuen Referenzzentrums endlich die notwendige wissenschaftliche Auseinandersetzung mit diesem gesundheitspolitisch brisanten Thema erfolgt. Betroffene haben viele Fragen – es ist höchste Zeit für Antworten!
Anfragen an das NRZ kann man sich schenken. Ich habe im Lauf der Jahre mehrfach an Dr. Fingerle geschrieben. Letztmals in Sachen „Zeckenkrieg“, Film von Dr. Hünerfeld. Eine Antwort habe ich nie bekommen, obwohl ich Dr. Fingerele persönlich kenne und mehrfach schon über die Borreliose mit ihm diskutiert habe. Er ist auch beratungsresitend und bleibt bei seinen Thesen nach IDSA.
„beratungsresistent“ leider auch eine in Deutschland weit verbreitete Phobie.
Danke für den „3 Affen“ Bericht.
Ein ganz „herzliches Danke schön“ für die Informationen!
In der Hoffnung, dass sich politisch, medizinisch und versicherungsrechtlich noch Änderungen abzeichnen!
Wir müssten für unsere Belange und Anerkennung noch mehr eintreten – leider sind wir oftmals und an vielen Tagen überhaupt nicht fähig, dies in aller Konsequenz zu zu tätigen. Und gesunde Mitmenschen, die uns vertreten, um ein neues Bewusstsein und Anerkennung unserer Erkrankung mit all ihren Auswirkungen und Schmerzen zu schaffen, sind dankenswerter da, aber nicht in einer solchen übigen Menge, dass es zu einer Palastrevolution führen kann. Den wenigen Engagierten zugunsten uns Betroffener zolle ich immer und immer wieder hohen Dank und Repekt!
In der Hoffnung, ihr Einsatz bleibt uns erhalten und es finden sich noch viele mehr, damit sich gerade in medizinischer und sozialpolitischer Hinsicht in absehbarer Zukunft doch noch eine gravierende Änderung abzeichnet !!!